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© Text und © Bilder – Sabine Bengtsson – Juli 2022

Mit den wilden Geiern flüstern im Königreich Aragonien

Aragonien, oder auch Aragon genannt, gehört zu den am dünnsten besiedelten Regionen Spaniens. Am Fuße der Pyrenäen bietet dieser großartige Landstrich Spaniens eine fantastische abwechslungsreiche Natur in der sogar Geier leben, Burgen und Schlösser, die als Filmkulissen dienen, wie berühmte Filme „Im Namen der Rose“ oder „Königreich der Himmel“. Neben Spanisch, wird auch katalanisch und die seltene aragonesische Sprache gesprochen. Aragonien hat einen Nationalpark, vier Naturparks und unzählige geschützte Landschaften. Perfekt also für eine Naturtour.

Die Anreise erfolgte über Barcelona. Von dort fährt man mit dem Auto ca. 2,5 Stunden, es fahren jedoch auch Züge oder Fernbusse in die Städte Aragons, von wo aus man die Naturregionen erkunden kann. Es gibt Direktflüge nach Barcelona, so dass man schnell ans Reiseziel gelangt. Die Region bietet wunderschöne kleine Hotels, in sehr gut erhaltenen Dörfern gelegen. Dadurch bietet sich die Gelegenheit die Kultur, die Natur und die fantastische Küche mit außergewöhnlichen Weinen kennen zu lernen.

Ziel dieser Reise war der wunderschöne, sehr gut restaurierte Ort Alquézar, von wo aus wir unterschiedliche Regionen erkundet haben. Alquézar gehört zu einer der schönsten Gemeinden in der Region Aragonien. Steile Gassen durchziehen den malerischen Ort in der Sierra de Guara und am Abend empfiehlt sich ein Spaziergang durch den Ort. Durch die gelbe, gedämpfte Beleuchtung entsteht eine romantische Atmosphäre in den Gassen.
Auf den Dächern befinden sich Schornsteine zum Teil mit einem Gefäß, mit einer Spitze oder mit einem Gesicht verziert. Das soll nach altem Glauben Hexen abhalten ins Haus zu gelangen. Alte Traditionen und alter Glaube sind in einigen Bergdörfern bis heute erhalten.
Alquézar hat 200 Einwohner. In der Hauptsaison im Juli und August können es jedoch bis zu 2.000 Menschen sein, die sich im Ort aufhalten. Es empfiehlt sich daher diese Zeit zu meiden. Das ist auch kein Problem, gerade für eine Naturreise, denn das Klima erlaubt auch im Winter oder Herbst tolle Wanderungen. Highlights wie der Ort Ainsa, die Burg Loarre, die 1.000 jährige Steineiche in Lecina, oder der Besuch bei einer NGO zum Schutz der Geier, lassen sich problemlos von dort in kürzerer Fahrtzeit erreichen.

Unser Hotel liegt mitten im Ort mit einem schönen Garten, einem wirklich tollen Pool und wunderschöner Aussicht ins Tal oder auf die Klosteranlage. Erreicht man Alquézar sieht man als erstes, da am höchsten Punkt gelegen, die befestigte Stiftskirche und ein Kloster, von schroffen Felsen geschützt, auf einem Felsvorsprung. Die Anlage ist aus der maurischen Zeit (9. Jahrhundert) und hat ihren ursprünglichen Charakter bewahrt.
Die umliegende Sierra de Guara gehört zu einer beeindruckend schönen Naturlandschaft.

Am ersten Tag unternahmen wir eine Wanderung durch die Schlucht Las Pasarelas de Alquézar. Sie führt zum Teil auf einem schmalen höher gelegenen Pfad aus Gittern, direkt an den Berg gebaut. Hier hat man teils dramatisch schöne Blicke in die Schlucht und auf den dort verlaufenden Fluss. Am Himmel ziehen ebenso Geier wie Adler und Milane ihre Kreise. Endemische Pflanzen wachsen direkt am Fels oder an den Ufern des Flusses. Man kann verschieden lange Wanderungen unternehmen und sich danach in einem der schönen Restaurants Alquézars erholen.

Am Nachmittag besuchten wir die 1.000 jährige Steineiche. Ein mächtiger, gesunder Baum, der einen ehrfürchtig werden lässt, auch vor dem was dieser alte Baum bereits alles erlebt hat. Sie steht im Ort Lecina (Sobrarbe) und ist der europäische Baum des Jahres 2021 gewesen. Danach unternahmen wir einen Spaziergang zu den Höhlen (Kulturpark Rio Vero). Vor hier lässt sich eine 7-tägige, ökotouristische Trekkingroute durch die „verlassenen Dörfer“ der Sierra de Guara unternehmen.

Am nächsten Tag stand der Besuch der restaurierten Ölpresse aus dem 16. Jahrhundert in Buera mit Ölverkostung auf dem Programm. Sie funktioniert noch heute, doch wird sie jetzt als lebendiges Museum genutzt, in der man hautnah erleben kann, wie damals die Menschen die Oliven genutzt haben und vor allem wie nachhaltig und extrem ressourcenschonend das Öl produziert und verwendet wurde. Auch die Geschichte der Oliven wird anschaulich erklärt und man bekommt einen tiefen Einblick in die Vielfalt der unterschiedlichen Olivensorten und die Herstellung und Bedeutung des Olivenöls für diese Region. Dazu gehört auch ein etwas außerhalb liegender Olivenhain mit den unterschiedlichsten Baumsorten. Eine kleine, schöne Kapelle befindet sich angrenzend und sollte unbedingt mit besichtigt werden.

Am Spätnachmittag geht es weiter in den Ort Ainsa. Dort treffen wir den Bürgermeister, ein sehr sympathischer, unkomplizierter Mann, dem es wichtig ist Naturschutz, Tourismus und Tradition in Einklang zu bringen. Der alte Stadtkern mit seinen historischen Gebäuden liegt direkt an der Burg von Aínsa. Sie stammt aus dem 11. Jahrhundert. Der Paza Mayor ist von alten Steinhäusern. Mehrere Steinhäuser (darunter die Casa de Bielsa, die Casa Latorre und die Casa Arnal) gehen auf das 16. und 17. Jahrhundert zurück. Weite Teile der aus dem 11. und dem 16./17. Jahrhundert stammenden Burg (castillo) sind noch als Ruine erhalten. Ebenfalls sehenswert ist die einschiffige ehemalige Kollegiatkirche (colegiata) Santa María. Sie wurde im Jahr 1183 geweiht und steht in der Nordostecke des Platzes. Ihr Äußeres beeindruckt durch den wuchtigen romanischen Turm, der in seiner Art für Aragón einmalig ist. Wir hatten das Glück mit dem Bürgermeister bis ganz nach oben in den Turm gelangen zu können, mit einem fantasischen Rundumblick in die Landschaft.

In Ainsa sehr gut gefallen hat mir die Trennung von Natur und Aktivitätstourismus. Es gibt zwar verschiedene Mountainbike Routen, doch sie liegen alle außerhalb des Nationalparks zur Schonung der Natur. Im Nationalpark selber kann man ausschließlich wandern, um die Tiere und Pflanzen größtmöglich zu respektieren und nicht zu stören! Das finde ich sehr wichtig, da leider im Outdoor-, und Activity-Tourismus die Tendenz zu erkennen ist für noch mehr Action und noch mehr Fun, immer weiter in Naturräume vorzudringen und sich oftmals respektlos ihr gegenüber zu verhalten.

Der Tag danach war mein absolutes Highlight und diesen Tag werde ich garantiert niemals vergessen. Wir fuhren zu dem „Geier-Flüsterer“ Spaniens. Der Aufklärung und dem damit verbundenen Schutz der Geierpopulationen hat er sich verschrieben und lässt Menschen daran teilhaben, wenn er seine freilebenden „Freunde“ trifft.

95 Prozent der europäischen Geier leben in Spanien. Sie zählen zu den größten Vögeln der Welt, mit einer Spannweite von bis zu 3 Metern. Bereits seit seiner Kindheit faszinieren ihn diese großen Vögel. Da war es nur logisch, dass er schon vor Jahrzehnten eine NGO zum Schutz der Geier gründete und sich mittlerweile auch in Afrika für ihren Erhalt und Schutz einsetzt, indem durch respektvollen Naturtourismus den Einheimischen eine positive Einnahmequelle erschlossen wurde, die gleichzeitig die Geier schützt. Er ist international bekannt und es gibt mit Sicherheit niemand anderen, der so eine enge Verbindung zu diesen freilebenden Tieren hat. Manche Geier kennt er bereits seit über 30 Jahren. Er hat ihnen einen Namen gegeben und sie kommen, wenn er sie ruft. Durch seine Fütterungen, an denen Menschen teilnehmen können, erhofft er sich auch, dass Image der Geier verbessern zu können. Denn sie haben im Allgemeinen kein gutes Image, dabei sind sie einzigartige und auch sehr soziale Wesen, jeder mit seiner Persönlichkeit und vor allem hat jede Geierart ihre Aufgabe in der Natur. Einige fressen nur die Knochen, die anderen das Fleisch usw… So verwerten Geier das gesamte Aas!

Ebenso ist es keineswegs so, wie oft behauptet, dass Geier keine Tischmanieren hätten und jeder für sich um die größte Portion streitet! Er hat über die Jahrzehnte beobachtet, dass wenn es wenig zu fressen gibt, jeder Geier eine kleinere Portion frisst, damit alle etwas abbekommen. Und wenn viel da ist, schlägt sich jeder den Bauch voll! Auch leben sie in relativ festen Gruppen und erscheinen gemeinsam am Futterplatz. Einige der Geier sind mit auffälligen Markierungen versehen, so dass sich dies nachweisen lässt. Sehr seltene Arten, wie der Mönchsgeier, hatte sogar ein GPS auf dem Rücken.

Da es durch neuere Gesetze der EU untersagt ist ein verendetes Tier in der Natur liegen zu lassen, brach die Geierpopulation nicht nur in Spanien dramatisch ein. Hinzu kam die Falschannahme, dass sie Lämmer reißen. Es wurde ihnen nachgestellt und auch die illegale Jagd auf Füchse, Wölfe,… und andere Prädatoren durch Giftköder in Fleischresten, trugen ihr Übriges dazu bei, dass sie an den Rand der Ausrottung gebracht wurden.
Mit katastrophalen Auswirkungen für ein gesundes Ökosystem. Die Geier mussten hungern, viele verhungerten!
Dabei hilft ihre Aufgabe schädliche Klimagase zu vermeiden, oder den Boden und das Wasser vor krankmachenden Verwesungskeimen und Giften zu schützen. Die Tierkörperbeseitigung kostet Millionen Euros, durch die Entsorgung von verendeten Tieren und Schlachtabfällen. Durch eine gesunde Geierpopulation und einer naturgerechten Gesetzesregelung wäre dies überflüssig! Gott sei Dank gibt es mittlerweile Sondergenehmigungen, durch die das Füttern an wenigen überwachten Plätzen durchgeführt wird und in bestimmten Regionen dürfen nun wieder tote Tiere in der Landschaft liegen gelassen werden. Ein erster guter Schritt in die richtige Richtung!

Die Fütterung läuft nach strengen, immer gleichen Regeln ab, um die Tiere nicht zu stressen. Er trägt immer dieselbe Weste und sie kennen seine Stimme. Ganz wichtig ist dabei, dass die Besucher sich absolut still verhalten und zunächst abwarten. Als wir in den Bergen ankamen, circa noch 1 km von dem Futterplatz entfernt, kreisten schon circa 200 dieser majestätischen Vögel über unseren Köpfen. Es waren überwiegend Gänsegeier, doch auch einer der seltensten Geier, der Mönchsgeier, war unter ihnen, ebenso wie ein Schmutzgeier. Es gibt in der Region insgesamt nur 2-3 Mönchsgeierpaare, insofern war ich natürlich sehr glücklich, dass einer von ihnen an diesem Tag dabei war.

Mit einer Karre beladen voll stinkender Schlachtabfällen und Tierteilen mit Knochen, begab er sich zum Futterplatz. Was für uns stinkt, lieben die Geier. :-)
Wir warteten auf sein Zeichen und begaben uns dann ganz leise und ruhig auf den Felsen, wenige Meter von ihnen entfernt.
Manolo saß nun direkt inmitten der Geier und sprach mit ihnen, während er das Futter verteilte. Ein sehr bewegender Moment. Ihre enorme Größe und ihre Laute waren absolut faszinierend. Einige der Geier, die er schon lange kennt, suchten seine Nähe und kamen zu ihm. Er gab ihnen Futter aus der Hand und streichelte sogar einige von ihnen.
Der einzige Mönchsgeier, viel größer als die Gänsegeier, fiel besonders mit seinem blauen Schnabel und dem fast schwarzem Federkleid auf.
Nach und nach kehrte Ruhe ein und einige Geier legten sich auf dem Felsen hin und ruhten nach der Mahlzeit.
So saßen wir eine Zeitlang dort und konnten sie sehr gut beobachten.
Irgendwann gab er uns das Zeichen sich zurück zu ziehen, da er immer auch noch eine Weile alleine mit ihnen verbringen möchte. Tief bewegt und berührt konnten wir diese Szenerie aus einiger Entfernung miterleben. Die Verbundenheit zwischen ihm und den Geiern war einmalig!

Irgendwann kam er zu uns und erzählte uns viel Wissenswertes zu den Geiern. Während dessen erhoben sich mehr und mehr Geier in die Lüfte und kreisten über unseren Köpfen. Ich hoffe so sehr, dass mehr Menschen verstehen und begreifen wie wichtig ihr Schutz ist und welche fantastische Arbeit solche NGO´s leisten!
Ich werde auf jeden Fall diese Art des Ökotourismus zum Schutz dieser einmaligen Vögel in meine neue Aragontour integrieren und mit einem Teil des Tourpreises unterstützen.

Danach ging es weiter in die wunderschöne Bergwelt der Riglos de Mallos und zu einem Besuch der Burg Loarre.
Jeder der diese sehr gut erhaltende Burg besucht, wird sich sofort an den Film „Im Namen der Rose“ erinnern. Die Burgführerin erzählte, dass auch Orlando Bloom für Dreharbeiten in der Burg war für den Film „Königreich der Himmel“. Sie wird häufiger als Filmkulisse genutzt und beim Erkunden der Burg kann man sich gut in die Zeit der Ritter und Könige zurück versetzen.

Den letzten Abend verbringen wir in dem besten Restaurant Alquézars, mit einem fantastischen Abendessen unter Olivenbäumen sitzend, einen grandiosen Ausblick ins Tal und einem lokalen leckeren Wein. Was gibt es Schöneres, als so eine wundervolle Tour ausklingen zu lassen. Die regionale Küche ist insgesamt sehr abwechslungsreich und lecker mit einer hohen Qualität der Lebensmittel.

Eins steht fest, auch wenn ich Aragon schon mehrfach besucht habe, es ist ganz sicher nicht das letzte Mal.
In der nächsten Zeit werde ich damit beschäftigt sein eine neue abwechslungsreiche und ganz besondere Naturtour nach Aragon zu entwickeln und freue mich, wenn Sie nach dieser Tour dann genauso glücklich nach Hause fahren, wie ich…

Herzliche Grüße, Sabine Bengtsson

PS Hier gelangen Sie zu dieser Tour