Copyright: Text und Fotos Sabine Bengtsson / August 2016

Hier ist der Reisebericht über die Schiffsexpeditionsreise mit der traditionellen MS Nordstjernen in die Arktis.

Die Arktis rund um Spitzbergen auf respektvolle Art kennenzulernen, mit Naturführern auf einem traditionellen Schiff, der MS Nordstjernen von 1956, ist ein einmaliges Erlebnis! Im August 2016 begab ich mich auf diese Reise… Denn wenn ich eine Schiffsanreise ins Programm aufnehme, dann keine gewöhnliche Kreuzfahrt, sondern nur eine echte Expeditionstour mit möglichst wenig Gästen und auf einem „richtigen“ Schiff…

 

Ich schaue aus dem Fenster des Flugzeuges und sehe unter mir endlose Wälder und Seen – wir überqueren das Festland von Norwegen mit dem Ziel: Spitzbergen!

In Tromsö machen wir eine Zwischenlandung. Der Flughafen liegt landschaftlich sehr schön. Auf dem Flughafen herrscht skandinavische Gelassenheit, die sofort ansteckt.
Ich fliege zum ersten Mal in die Arktis, es ist sozusagen im wahrsten Sinne noch ein weißer Fleck auf meiner Reiselandkarte. 6 Tage werde ich dort verbringen und überwiegend mit einem Traditionsschiff, gebaut 1956, bis zum 80. Breitengrad fahren und einen Teil der Arktis kennenlernen. Von dort sind es nur noch ca. 1000 km bis zum Nordpol – unglaublich.

Etwa 100 weitere Gäste und eine gute Freundin, die mit mir zusammen diese Tour unternimmt, werden mit an Bord sein. Der norwegische Kapitän und seine Mannschaft sind seit vielen Jahren ein eingespieltes Team und kennen die Region wie ihre Westentasche. Als Highlight werden wir bis zur Packeisgrenze, dem 80.Breitengrad Nord, fahren. Dort gibt es eine kleine Insel, auf der häufig, die sich zum Glück wieder vermehrenden Walrosse, anzutreffen sind. Doch wir werden sehen, was uns die Natur bietet…

Zunächst jedoch landen wir in Longyearbyen, dem Hauptort auf Spitzbergen. Mit gerade knapp 2000 Einwohnern im Sommer und der Hälfte davon im Winter, wahrlich keine Großstadt, aber immerhin über 3 Mal so groß, wie das Dorf in dem ich wohne.
Als wir landen, strahlt die Sonne und kaum eine Wolke ist am Himmel. Der Flughafen liegt direkt am Meer und ist überschaubar. Auf dem Weg in den Ort sehen wir ein einzelnes Rentier nah am Wasser. Sie leben hier eher einzeln oder in sehr kleinen Gruppen.

Von Weitem sind viele Holzhäuser zu sehen und es fällt auf, dass vor jedem Haus ein Schneemobil parkt und auf seinen Einsatz in wenigen Monaten wartet. Einige haben Gewehrhalter an Bord. Sogar ein kleines Krankenhaus mit 8 Betten gibt es und den größten Weihnachtsmannbriefkasten der Welt.

Ein Bus fährt uns zu unserer Unterkunft, in der wir die erste Nacht verbringen, bevor es am Nachmittag des nächsten Tages an Bord der MS Nordstjernen geht.
Wir wohnen in der Coal Miners Cabin, ehemalige Holzhäuser in denen Minenarbeiter gewohnt haben. Denn dort wurde über längere Zeit in größerem Stil Steinkohle abgebaut. Heute wird aus den Minen nur noch zum Eigenbedarf gefördert und es gibt insgesamt noch eine aktive Kohlemine, die in dem 2. Ort, Barentsburg, liegt und sich unter russischer Führung befindet. Auch diesen Ort werden wir mit dem Schiff erkunden.

Die Coal Miners Cabin hat eine sehr gemütliche Rezeption und Aufenthaltsbereich. Die hausgemachten Burger sind hervorragend und die Preise im Verglich zum sehr teuren Norwegen und den anderen Unterkünften in Longyearbyen geradezu erschwinglich.
Zahlt man doch ansonsten locker das 2-4 fache wie bei uns.

Überall auf Spitzbergen ist es üblich, auch in öffentlichen Gebäuden, Hotels und Museen, seine Schuhe auszuziehen. Es stehen meistens Gästehausschuhe zur Verfügung. Der Ursprung kommt aus der aktiven Kohlezeit. Damit die schwarze Kohle an den Schuhen nicht den Boden in öffentlichen Gebäuden verschmutzt, werden die Schuhe ausgezogen und so ist es noch bis heute!

Wir beziehen unser gemütliches Zimmer mit Blick auf hohe Berge, die jetzt im Sommer schneefrei sind und machen uns auf, den Ort zu erkunden.
Wer weiter raus in die Natur wandern möchte, sollte dies nur mit einem bewaffneten Guide tun. Die Eisbären sind im Sommer auf dem Festland, ca. 3000 von ihnen leben meistens im Norden Spitzbergens. Doch sie können auch in dieser Gegend sein. Der Sommer heißt darben für sie. Das Packeis ist dann geschmolzen, so dass sie im Sommer keine Ringelrobben jagen können und auf wenige Vogeleier, Moose, Flechten oder Aas angewiesen sind. Nicht gerade üppig, wenn man bedenkt, dass ein ausgewachsenes Männchen bis zu 700 kg wiegen kann und im Stehen an die 3 Meter hoch ist. Die Weibchen bringen es auf 2,40 Meter und 250 kg, schwanger auf 500 kg.

Durch komplett fehlende Bäume und Büsche, musste sich der Eisbär ein anderes Jagdverhalten angewöhnen, als seine brauen Kollegen, die ja auch in Wäldern leben. So ist es absolut unmöglich voraus sehen zu können, wann ein Eisbär angreift. Er kann völlig desinteressiert sein und aus dem Nichts heraus angreifen. Dabei erreichen sie eine Geschwindigkeit von 40 km/h. Nur so können sie überleben und ihre bevorzugte Beute, die Ringelrobben, jagen.

Doch das macht sie ungleich gefährlicher, als ihre braunen und schwarzen Verwandten. Daher ist es wichtig, dass Menschen sich so verhalten, dass Eisbären gar nicht in die Lage versetzt werden uns zu nah zu kommen, zum Schutz der Bären und der Menschen!

Eisbären sind zum Glück stark geschützt. Es darf nur im äußersten Notfall ein Tier erschossen werden. Auf diese Art und Weise sterben etwa jedes Jahr 2-3 Bären auf Spitzbergen.

Wir laufen durch den Ort und es fällt auf, dass es für diese Ortsgröße viele gut sortierte Outdoorläden gibt. Auch sind die teuren skandinavischen Outdoorfirmen viel günstiger als auf dem norwegischen Festland da es steuerfrei ist.

Was uns noch ins Auge springt: Man darf sein Gewehr nicht mit in die Post nehmen. Aha, gut das ein Schild darauf hinweist, sonst hätten wir das doch glatt vergessen. :-)

Der einzige Supermarkt ist ebenfalls gut sortiert und nachdem wir durch die Outdoorläden gebummelt sind und ich eine lange Merinowoll-Unterziehhose zu einem sensationellen Preis gekauft habe, wird es Zeit für einen Kaffee.

Wir gehen ins Kroa. Ein sehr gemütliches Restaurant im kanadischem Blockhauscharakter. Man fühlt sich zurück versetzt in die Zeit, als Pelzjäger und Minenarbeiter hier gelebt haben und dieses schöne Land ausgebeutet haben.
Am nächsten Morgen steht eine Rundfahrt durch Longyearbyen mit einer Stadtführerin an. Sie erzählt uns, dass man auf Spitzbergen „nicht sterben darf“, da durch den Permafrost keine Beerdigungen möglich sind. Daher werden die Toten auf das Festland gebracht.

Die ehemaligen Mineneingänge, aus Holz gebaut, stehen noch heute an den Hängen rund um Longyearbyen. Apropos Holz, es wird alles vom Festland importiert, da es auf Spitzbergen nur Bäume gibt, die wenige Zentimeter hoch werden.
Dies und noch weitere für uns ungewöhnliche Dinge, die sich durch das extreme Klima entwickelt haben, werden wir im Laufe der nächsten Tage kennenlernen. Ein Besuch in dem wirklich sehr gut gemachten Naturkundemuseum verschafft uns einen ersten Eindruck über die Natur und die Geschichte Spitzbergens.

Als die Stadtführung beendet ist, geht es endlich an Bord auf die MS Nordstjernen. Sie wurde 1956 in Hamburg von Blohm und Voss gebaut. Ich bin ein wenig stolz, dass ich gebürtige Hamburgerin bin, als ich die „alte Dame“ zum ersten Mal live am Kai sehe. Was für ein schönes Schiff. Genau so wie man sich echte Schiffe vorstellt. Kein schwimmendes Hotel mit tausenden Menschen an Bord – Shoppingmalls, Fitnessräumen, Swimmingpools und dergleichen mehr. Schlichte Eleganz und den Charme der 60-er Jahre im Inneren, bietet sie die perfekte Umgebung um sich wohl zu fühlen. Die Decks haben wunderschöne Holzplanken, der Salon hat Sofas und Sessel aus den 60-er Jahren und die Kabinen noch echte Bullaugen! Ich bin sofort verliebt in dieses Schiff! Und als wir die Tür unserer Kabine öffnen, gleich noch ein bisschen mehr. Denn selbst die Lampen, der kleine Klapptisch und die beiden Kojen übereinander sind in diesem Stil gehalten. Die Kajüte ist nicht groß, jedoch sehr gemütlich und wir haben ein Bullauge nach draußen und zu unserer Kabine gehört eine DU mit WC und Waschbecken. Stilecht auch hier wasserfeste Platten mit der Nachbildung von grünem Marmor, ein kleiner Einbauschrank, sogar mit Kleiderbügeln um etwas aufzuhängen.

Es gibt auch Innenkabinen, mit und ohne WC und Dusche sowie ein paar wenige größere Kabinen, die dann ein Deck höher sind. Diese haben richtige Fenster, natürlich auch hier im Stil der 60-er Jahre mit abgerundeten Ecken. Sie liegen an der Außengängen, weshalb ich unsere kleine Kabine viel schöner finde, denn sie hat ein Bullauge direkt an der Außenseite des Schiffes, wo niemand vorbei laufen kann.
Und jetzt bewahrheitet sich auch wieder die Weisheit auf ein Schiff keine Koffer, sondern lieber weiche Taschen mitzunehmen. Denn sie lassen sich viel besser unter dem Bett oder in dem kleinen Schrank verstauen.

Ich bin erstaunt, als ich einige Gäste mit riesigen Koffern für 6 Tage sehe und frage mich, was da wohl alles drin sein kann? Denn es wird weder das kleine Schwarze, noch ein Anzug gebraucht. Im Übrigen ist es ein Mann – keine Frau – der den größten Hartschalenkoffer mit sage und schreibe 24 kg hinter sich her schleift. Ein knallorangenes Übergepäck-Schild an seinem Koffer weist daraufhin.

Dabei gibt es sogar einige dicke, wirklich extrem gute Overalls an Bord, die warm halten, wenn man sich lange draußen an Deck aufhält. So ein Overall wird in den nächsten Tagen zu unserer Hauptbekleidung, da wir fast die ganze Zeit draußen mit dem Fernglas und der Kamera auf dem Vordeck verbringen…

Als wir in Longyearbyen ablegen tuckert der Diesel gemütlich vor sich hin und wir schauen erwartungsfroh zum Horizont wo nichts als das Meer zu sehen ist. Auf der rechten Seite ziehen Berge wie an einer Perlenkette aufgereiht, an uns vorüber. Und tatsächlich, es gibt weder Baum noch Strauch, dafür in vielen Farben blühende Blumen, leuchtende Moose und Flechten, gespickt mit kleinen Schneeflächen, die bisher den Sommer überlebt haben.

Die Tagestemperatur ist ca. 4 Grad und nachts um die -2°. Doch da es 24 Stunden hell ist, verliert man sowieso ganz schnell das Tag-, und Nachtgefühl.
Einen Vorhang zum Einschlafen – brauchen wir nicht – einen Wecker zum aufstehen schon, denn bei dieser grandiosen Landschaft, der Möglichkeit jederzeit Wale, Walrosse, Eisbären und andere Tiere sehen zu können, möchte ich nicht viel schlafen…
Außerdem ist das Frühstück einfach zu lecker, um es zu verpassen. Morgens und mittags gibt es Buffet, abends wird serviert. Alles frisch zubereitet, selbst das Brot wird an Bord gebacken! Einen Morgen, ich war sehr früh auf, traf ich einen von der Mannschaft, der gerade unser Mittagessen geangelt hat. Selten habe ich so frischen Fisch gegessen!

Zum Glück sind hier an Bord die Auswüchse wie bei einigen All-In-Reisen zu sehen, nicht vorhanden. Keiner lädt sich die Teller so voll, dass sie nahezu unangetastet zurück gehen. Auch halten sich alle daran keinen und ich meinen wirklich absolut keinen Müll über Bord zu werfen. Selbst die Raucher gehen brav an die zwei einzigen Aschenbecher.

Wir haben Glück und werden mit einem sehr netten deutschen Pärchen an den 4-er Tisch gesetzt. Sofort sind wir uns sympathisch und stellen fest, dass wir sehr ähnlich ticken. Fortan stehen wir meistens zu viert im Wind vorne auf dem Deck und halten über viele Stunden Ausschau – beobachten Papageientaucher, Eissturmvögel und Grylltheisten, die das Schiff kreuzen.

Das machen wir offensichtlich so intensiv, dass uns ein anderer Gast fragt, ob wir vier eine Biologengruppe sind, da wir so ausdauernd an Deck sind…
Natürlich halten wir stets auch Ausschau nach dem Blas eines Wals, Walrossen, Robben, Delfinen und dem König des Polarkreises – dem Eisbären.

Doch die spannendsten Begegnungen passieren meistens beim Essen. So ertönen über die Lautsprecher bei einem Mittagsbuffet die Durchsage, dass Wildtiere gesichtet wurden. Dazu später mehr.

Sofort sind dann alle an Deck und bewundern sie fasziniert. Selbstverständlich haben die meisten Gäste ihr Fernglas und die Kamera stets auch beim Essen mit dabei.
Erst wenn die Tiere außer Sicht sind, setzen wir unser Essen fort. Das Servicepersonal ist darauf eingestellt und kennt das schon. An zwei Tagen sollten wir sogar noch das Glück haben einen einzelnen Buckelwal beobachten zu können… Hier ist nur noch die Flosse vor dem Abtauchen zu sehen.

Doch bevor es so richtig in den Norden Spitzbergens geht, machen wir einen Stopp in Barentsburg.
Da auch jeweils zwei Anlandungen pro Tag geplant sind, werden wir in sprachliche Gruppen eingeteilt und zu siebt mit einem sogenannten Tender- oder Polarzirkelboot an Land gebracht. Das macht total viel Spaß, weil diese Boote bis zu 60 Km/h fahren können.

Die Guides sind sowohl in der Geschichte Spitzbergens bewandert, als auch in der Flora und Fauna.
Doch hier werden wir von Anna in Empfang genommen, sie ist Russin und lebt seit 15 Jahren in Barentsburg. Ursprünglich kommt sie aus Petersburg und hat das Großstadtleben gegen das Leben auf Spitzbergen in dem letzten noch aktiven Minenabbaugebiet eingetauscht.

Die Kulisse ist sehr zwiegespalten. Einerseits existieren hier noch alte Holzhäuser aus der Jahrhundertwende von 1900 und dann stehen moderne Plattenbauten dazwischen. Während sie uns durch den Ort führt, kreuzen LKW´s mit Kohle beladen unseren Weg. Spitzbergen ist hier sehr deutlich in seinem krassen Gegenteil zu erleben. Einerseits große unberührte Land-, bzw. Eisflächen und dann direkt daneben eine Industrielandschaft.

Die Minenarbeiter leben hier teilweise auch mit ihren Familien, dadurch gibt es kulturelles Leben und sie besitzen einen großen Bühnensaal für Ihre Feiern. Auch wir werden eingeladen, einen Teil ihrer Lieder und Tänze kennenlernen zu dürfen.
Ich muss gestehen, dass ich zunächst beim Lesen des Programms gezuckt habe, als dort stand: Folkloreveranstaltung. Ich hatte sofort Bilder im Kopf von Menschen, die abgestumpft vor Touristen tanzen und wollte zunächst diesen Programmpunkt auslassen.

Zum Glück habe ich es nicht getan, denn was mich erwartet, sind freundliche und fröhliche Menschen, die stolz auf ihre Lieder und ihre Kultur sind und dies sehr gerne anderen Menschen zeigen. Es sind ganz normale Mitarbeiter der Minengesellschaft, die Spaß daran haben, ihr Brauchtum außerhalb Russlands zu pflegen.
Als wir aus dem Gebäude heraustreten, ist es bereits fast Mitternacht. Doch die Sonne scheint noch genauso wie zur Mittagszeit.

Als wir wieder das Schiff besteigen, schauen wir uns ein letztes Mal um, um eine menschliche Besiedelung zu sehen, denn ab jetzt würde es nur noch Eis, Land und wilde Tiere geben. Keine Ortschaften, keine Industrie und vor allem kein WLAN und kein Telefon für die nächsten Tage! Herrlich!
Dick im Overall eingepackt stehe ich am Bug des Schiffes und atme die klare kalte Arktisluft ein. Eisturmvögel begleiten unser Schiff und sollen die nächsten Tage unsere ständigen Begleiter werden. Ihre eleganten Flüge und Manöver ziehen in den Bann und so habe ich dann auch hunderte von Bildern von ihnen gemacht.

Da glücklicherweise niemand auch nur ansatzweise auf die Idee kommt, die Seevögel mit Brot zu füttern, können wir sie ungestört beobachten.
Meine Freundin hat ein Buch mitgenommen, über all die dort lebenden Tiere. Bei den Eissturmvögeln erfahren wir, dass sie über 50 Jahre alt werden können, viele Jahre auf See verbringen ohne jemals Land zu betreten und exzellente Flieger sind. Unsere Bewunderung steigt und in der Tat, ihren Flugkünsten muss man einfach hinterher schauen.

Nachts gegen 3 Uhr verlasse ich für wenige Stunden das Deck um mich in meine gemütliche Koje zu legen und sofort einzuschlafen. Um 7 wieder aufzustehen, machte mir nichts aus, im Gegenteil ich freue mich auf den neuen Tag.
Nach dem reichhaltigen und leckeren Frühstück haben wir unsere 9 Uhr Besprechung. Unser Guide erläutert sowohl den Ablauf der zwei Anlandungen für diesen Tag, als auch erste Hintergrundinformationen.

Die erste Aktivität ist eine Anlandung in einem Fjord, wo wir auch eine kleine Wanderung unternehmen. Er heißt Magdalenenfjord.
Diese Ecke Spitzbergens hat eine lange Geschichte der Eroberung und Entdeckung hinter sich. Hier wurden sowohl Überreste von Kesseln gefunden, mit denen man Waltran kochte, als auch einen Friedhof aus dem 17. und 18. Jahrhundert.
Als wir mit unseren Polarzirkelbooten an Land sind, werden wir von Küstenseeschwalben angegriffen. Sie sind schnell und haben spitze Schnäbel. Ihre Jungen müssen irgendwo in der Nähe sein und es ist besser den Weg zu ändern, um aus ihrem Einzugsgebiet zu gelangen.

Forscher fanden heraus, dass sie 70 000 km pro Jahr fliegen, das sind die längsten Flugwanderungen von Vögeln, die bisher erforscht wurden.

Ein Guide ist jeweils abgestellt, um die Umgebung nach Eisbären abzusuchen. Der Fjord ist wunderschön und bietet sogar einen Strand. Einige Mutige gehen baden, bei 4° Wassertemperatur.

Die Seemannsgräber sind zwar nicht mehr zu sehen, aber einige Überreste wurden in einem abgezäunten Gebiet vor Sammlern geschützt.
Nach einem leckeren Mittagsbüffet an Bord laufen wir den Smeerenburg-Gletscher an. Auf dem Weg dorthin haben wir das Glück einen einzelnen Buckelwal beobachten zu können.

Der Gletscher ist atemberaubend und nun steht eine besondere Tour an. Mit den Polarzirkelbooten fahren wir direkt vor den Gletscher. Von Bord ist zu sehen, wie klein die Boote wirken. Immer wieder kalbt der Gletscher und es klingt wie eine Detonation. Die Boote halten ausreichend Abstand, damit sie durch die entstehenden Wellen nicht gefährdet werden. Etwa 45 Minuten dauert die Fahrt und wir sind alle sehr beeindruckt. Zurück an Bord können wir eine Robbe beobachten, die auf einer Eisscholle liegt und weit entfernt befinden sich sogar ein paar Walrosse.

Doch gerade hier ist auch zu sehen was es bedeutet, wenn wir von der Klimaerwärmung sprechen. Einige Gletscher haben sich in den letzten Jahren soweit zurück gezogen, dass sie den Kontakt zum Meer bereits verloren haben und somit langfristig sterben werden. Das bedeutet, weniger Packeis und damit keine Chance für den Eisbären im Winter ausreichend Nahrung zu finden. Denn seine Hauptbeute die Ringelrobbe liegt bevorzugt auf Eisschollen. Ist das Eis jedoch weniger vorhanden und tragfähig, kann er sie nicht jagen. Damit fehlt ihm die wichtige Möglichkeit sich im Winter ausreichend Speck anzufressen, um die Sommermonate zu überstehen. Denn dann bleiben ihm an Land nur Vogeleier, Moose und Flechten oder einmal Aas zu finden. Ohne Eis keine Eisbären! Bleibt zu hoffen, dass er sich den neuen Bedingungen rechtzeitig anpassen kann!

Die Natur ist da bekanntlich ja sehr innovativ und intelligent. Ich las neulich, dass sich bereits erste Eisbären mit Braunbären gepaart haben, da sie sich nun durch den veränderten Lebensraum begegnen können. Sicher wird sich dadurch auch ihr Jagdverhalten verändern und es entsteht vielleicht eine neue Art, die sich dem neuen Lebensraum anpasst.

Immer wieder eröffnen sich auf unserer Fahrt zum 80.Breitengrad Nord, atemberaubende Blicke auf schneebedeckte Berge und in zerklüftete Fjorde. Das Lichtspiel zwischen Sonne, Wolken und der Landschaft übt einen faszinierenden Reiz aus. Papageientaucher, Grylltheisten und Eissturmvögel kreuzen das Schiff und fordern die Fotografen heraus, sie mit der Kamera einzufangen, wenn sie im schnellem Tempo vorbei fliegen.

Ich bleibe nach dem Abendessen noch lange an Deck und kurz bevor ich mitten in den frühen Morgenstunden schlafen gehen möchte, taucht an der Steuerbordseite plötzlich ein Walross auf. Ich kann ein paar Bilder machen und es mit dem Fernglas gut beobachten, wie es elegant durch das eiskalte Wasser schwimmt… und ich treffe noch einen von der Mannschaft, der gerade dabei ist unser Mittagessen zu angeln. Der Fisch an Bord ist außerordentlich köstlich und fangfrisch!

Am nächsten Tag erfahren wir bei unserer täglichen Morgenbesprechung, dass es heute zu einer alten Trapperhütte in den Liefdefjord geht, die bereits in den 20-er Jahren errichtet wurde und immer noch genutzt wird. Nun als Schutzhütte für 2 Personen.

Auf dem Weg dorthin ertönt während des Mittagessens die Durchsage: Beluga-Wale Backbord voraus. Sofort verlassen alle ihre Tische und gehen nach draußen. Da die Meisten sowieso immer das Fernglas um den Hals haben, sind die Wale schnell ausgemacht. Circa 23 dieser schneeweißen Wale ziehen in zwei Gruppen an der Küste in den Norden. Sie lassen sich gut mit dem Fernglas beobachten und erst einige Zeit später setzen wir unser Essen fort.

Am Nachmittag erreichen wie die Hütte Texas Bar. Dort ist, passend für die heutige Zeit, auch ein „Parkplatz“ für Schneemobile. Die Hütte ist sehr gemütlich und groß genug für 2 Personen. Unser Guide erzählt uns über die Historie und die grausamen Fang-, und Tötungsmethoden der damaligen Trapper, aber auch über ihr hartes (Über-)Leben hier draußen. Ich muss gestehen, mein Mitleid mit ihnen hält sich stark in Grenzen. Für die Pelz-, und Trophäenjagd hatte ich noch nie etwas übrig.

Auf unserer Wanderung rund um die Hütte haben einige das Glück einen Polarfuchs zu sehen. Er wiegt nur ca. 3-4 kg und ist kleiner als die Füchse, die wir hier kennen. Auch die Pflanzenwelt ist außerordentlich. So gibt es zwar auf Gesamtspitzbergen keine Bäume oder Büsche, wohl aber eine Vielzahl an Pflanzen. Sie werden hauptsächlich durch den Wind bestäubt, da es nur ein paar wenige Fliegen und Mücken gibt. Der Guide deutet auf zwei sehr kleine Blätter, die zu einer Pflanze gehören und fragt uns, ob wir wissen was es für eine ist?! Die Antwort ist erstaunlich, denn es handelt sich um eine Weide. Durch den Permafrost können sie jedoch keine großen Wurzeln entwickeln und so werden sie nur ca. 1 cm groß. Wohingegen die Pilze eine normale Größe entwickeln und damit die Pilze hier größer sind als die Bäume! Die Natur ist unglaublich.

Unsere Fahrt führt uns weiter in Richtung auf den 80.Breitengrad Nord. Wir sind zum Bockfjord unterwegs, der an der Nordküste Spitzbergens liegt. Auf dem Weg dorthin nehmen wir ein paar Kajakfahrer auf, die hier 2 Wochen mit ihren Booten unterwegs waren. Sie erzählen, dass in der Nähe ihres letzten Campingplatzes wohl ein Eisbär wäre. Und tatsächlich ein paar der Reisenden entdeckt am Ufer einen Eisbären, der dort liegt und wo man nur den Rücken erkennen kann. Wir fahren weiter. Die Landschaft rund um diesen Bockfjord ist wunderschön und abwechslungsreich. Rote Berge leuchten in der Mittsonne, abwechselnd mit grünen Flechten und dem Blau des Meeres ergeben sie eine traumhafte Kulisse.

Als wir den Bockfjord erreichen, eröffnet sich uns eine der schönsten Landschaften auf dieser Fahrt.
Wir landen mit den Polarzirkelbooten an und brechen zu einer weiteren Wanderung auf. Es geht über einige steinige Berge, bis wir eine der sehr wenigen warmen Quellen Spitzbergens erreichen. Auf dieser Wanderung kommen wir mit einer sehr netten, älteren Dame ins Gespräch, denn es fällt uns auf, dass sie mutig die steinigen Passagen mit wandert, statt wie einige Andere mit einem Guide zu den Booten zurückzukehren. Sie erzählt, dass sie 77 Jahre alt ist und ihr Haus verkauft hat, um nun das Geld für Reisen auszugeben, solange es noch geht. Sie hat vor zwei Wochen eine Frau in London kennengelernt, die hat ihr von dieser Tour erzählt und kurzentschlossen ist sie mitgefahren. Wie mutig denke ich und hoffentlich bin ich auch in dem Alter immer noch so fit, dass ich meiner Leidenschaft, dem Reisen, nachgehen kann!

Als wir über einen Bach klettern, der im Meer endet, leuchtet uns schon von weiten das Grün seiner Algen entgegen. Als wir den Fjord wieder verlassen bietet sich ein wunderschöner Rückblick. An der Stelle, wo einige den Rücken des Eisbären gesehen hatten, haben wir nun das sagenhafte Glück ihn in seiner ganzer Pracht und Größe beobachten zu können. Natürlich wieder während des Essens…
Der König des Polarkreises wandert entspannt an der Küste umher und kümmert sich kein bisschen um unser Schiff, das den vorgeschrieben Abstand von 300 Metern einhält, um ihn nicht zu stören. Dieses Mal ist meine Kamera in der Kabine, aber das macht nichts. So habe ich die Gelegenheit in aller Ruhe durch das Fernglas jeden Augenblick dieser Begegnung auszukosten.

Unser Weg ist nun zielgerichtet auf die Überquerung des 80. Breitengrades und das Erreichen der Moffen Inseln. Dort halten sich sehr oft Walrosse auf. Früher trieben hier oft Walrossjäger ihr Unwesen auf der Suche nach Elfenbein, den Stoßzähnen der Walrosse. Heute ist es glücklicherweise geschützt.

Logischerweise sind wir jetzt nicht mehr wegzubewegen vom Deck. Und damit verpassen wir den Sekt, als das Schiff den 80.Breitengrad überquert. Doch das macht nichts, dafür sind wir die Ersten, die am Horizont einen kleinen flachen Landstrich entdecken, mit einer roten Markierung darauf. Wir ahnen, dass muss es sein! Moffen ist eine kleine Insel im Norden der zu Norwegen gehörenden Inselgruppe Spitzbergen. Die flache atoll-ähnliche Insel ist etwa drei Kilometer lang, bis zu zwei Kilometer breit und inklusive der Lagune in ihrem Inneren rund fünf Quadratkilometer groß.

Die Nordstjernen lässt ihr Horn ertönen, als wir den 80.Breitengrad erreichen. Von hier aus ist es nicht mehr weit zum Nordpol! Doch leider fahren wir nicht weiter, sondern drehen nach der Beobachtung der Walrosse auf der Moffen Insel um und fahren Richtung Longyearbyen zurück.

Doch zuvor haben wir Glück und können zwei Gruppen von Walrossen an Land mit dem Fernglas gut beobachten. Drei Tiere gehen ins Wasser und schwimmen zunächst direkt auf unser Schiff zu. Dann tauchen sie ab und sind auf der anderen Seite der Nordstjernen wieder zu sehen. Kaum zu glauben, dass auch sie nur wegen ihrer Stoßzähne brutal getötet wurden und Mitte des 20. Jahrhunderts beinahe ausgerottet wurden. Dank strengem Schutz erholen sie sich wieder und wie uns der Guide erzählt, suchen Walrosse sogar die Plätze erneut auf, in denen sich auch bereits vor 100 Jahren Walrosse aufhielten.

Als unser Schiff den Motor anwirft und den Heimweg antritt, wird uns traurig ums Herz, zu gerne wären wir weiter gefahren! Dieses einmalige Ökosystem hat sich schon zu tief in unser Herz gegraben…

Als das Schiff von den Walrossen abdreht, haben wir eine Idee. Da uns auch der Maschinenraum interessiert, fragen unsere Tischnachbarn und wir an, ob wir ihn besichtigen dürfen. Wir dürfen! Davon ausgehend, dass es ölig sein wird, ziehen wir dunkle Klamotten an und werden eines besseren belehrt. Alles ist picobello sauber, in hellen Farben gestrichen und beeindruckt uns mit der ganzen Technik. Der erste Motor von 1956 wurde 1980 gegen einen neueren ausgetauscht. Nach einer halben Stunde kehren wir tief beeindruckt an Deck zurück.
Eine weitere Idee keimt auf, den Besuch beim Kapitän auf seiner Brücke. Auch er heißt uns herzlich willkommen und so besuchen wir ihn in seinem „Reich“. Doch während wir dort sind, erhält er einen Anruf aus dem Maschinenraum. Eine Reparatur zwingt uns zum Anhalten. Geplant sind ca. 40 Minuten. Doch es dauert 3 Stunden und wir fühlen uns etwas schuldig dies herauf beschworen zu haben. Denn wir haben dem Kapitän gesagt, dass wir noch nicht zurück möchten und ob er nicht wieder umdrehen könne… :-)

Nicht alle freuen sich über den zusätzlichen Stopp. Der Mann mit dem riesigen Koffer regt sich fürchterlich auf und denkt laut darüber nach, wie wir wohl „gerettet“ werden, per Schiff oder per Helikopter?!

Nach 3 Stunden setzt die Nordstjernen ihren Weg Richtung Longyearbyen fort.
Wir jedenfalls freuen uns und genießen die ruhige Atmosphäre ohne Schiffsmotorengeräusch nach Walen Ausschau halten zu können…

Unsere allerletzte Station wird der Besuch eines Dorfes sein, wo es Polarforschungsstationen aus diversen Ländern gibt. Es liegt im Ny-Alesund auf dem 78.Breitengrad. Dort leben viele Nationen zusammen, um das Polargebiet zu erforschen.
Uns erwartet ein schöner, kleiner Ort mit malerischen Holzhäusern und wenigen modernen, der Landschaft angepassten Gebäude. Hier befindet sich sowohl die nördlichste Poststation, als auch eine Skulptur von Roald Amundsen, einem norwegischen Seemann und Entdecker, sehr berühmt, nicht nur in seiner Heimat Norwegen.

Ein letzter Landgang und das Eintauchen in die spannende Geschichte Spitzbergens läutet unwiederbringlich das bestehende Ende dieser Schiffsreise ein!
Auf dem Weg an der Küste entlang zum Hafen Longyearbyens meint das Schicksal es noch einmal gut mit uns und wir sehen einen Buckelwal.

Doch dann lässt sich das Ende nicht mehr leugnen, am Horizont taucht der Hafen auf und ehe wir uns versehen, hat die Nordstjernen angelegt. Ein Bus bringt uns um 1:30 nachts zum Flughafen, damit wir den Flieger um 2:30 Richtung Heimat nehmen können.

Aber irgendwie hat sich unser Wunsch länger bleiben zu können, wohl doch noch nicht in Luft aufgelöst. Aufgrund einer Magenverstimmung des Co-Piloten kehren wir um 3:30 auf „unser Schiff“ zurück und können ein letzes Mal die restliche Nacht in unseren Kabinen verbringen…
Als wir schließlich am nächsten Tag um 14:30 mit dem Flugzeug abheben, gibt es kein Zurück mehr.

Doch eines steht für mich fest. Ich komme wieder und zwar zur Winterzeit, denn etwas habe ich noch nicht gesehen – das Polarlicht, Narwale und Eisbären in ihrem Element – dem hoffentlich ewigen Packeis!

Sabine Bengtsson von Perlenfänger Naturtouren und Artenschutz über „Ein arktisches Abenteuer mit dem Hurtigruten-Traditionsschiff MS Nordstjernen“ vom 10.-16.08.2016